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Interview mit Dr. Krüger zum Thema Lipödem & Liposuktion

Aktuelles

10.06.2024

Anlässlich des Lipödem-Monats Juni haben wir uns wieder ausgiebig mit diesem Krankheitsbild beschäftigt – insbesondere mit dem Thema Liposuktion, also Fettabsaugung beim Lipödem. 

Wenn alle konservativen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft sind bzw. keinen Effekt mehr zeigen oder das Lipödem sich sogar noch verschlimmert, ist eine Operation für viele die letzte Möglichkeit, die Lebensumstände wieder zu verbessern.

Hier in Geldern gibt seit kurzem eine neue Anlaufstelle für Lipödem-Patientinnen: Dr. Krüger ist Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie und Departmentleiter der Lipödemchirurgie im St.-Clemens-Hospital.

Wir haben ihn persönlich kennen gelernt und mehr über die Liposuktion erfahren.

Interview zum Thema Lipödem mit Dr. med. Björn Krüger, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie und Departmentleiter Lipödemchirurgie im St.-Clemens-Hospital Geldern

1. Warum ist die richtige Diagnose des Lipödems so wichtig?
Die Diagnose Lipödem exakt stellen zu können, ist ein wichtiges Thema und auch eine Grundvoraussetzung für eine einzuleitende, sinnvolle Therapie. Es ist immer noch so, dass in der Medizin und in den einzelnen medizinischen Fachbereichen, die das Lipödem diagnostizieren könnten, eben dieses jahrelang sehr stiefmütterlich behandelt wurde aber mit veränderter Tendenz, erfreulicherweise. Es gibt einige Diagnosen, die dem Lipödem sehr ähneln und häufig ist es eben so, dass es zu einer Gewichtszunahme und zu einer Umfangsvermehrung an den Extremitäten sowie im Hüft- und Bauchbereich kommt. Fälschlicherweise wird dann den Patientinnen gesagt: „Du bist einfach zu dick, mach mehr Sport und Diät.“
Wie wir mittlerweile wissen, handelt es sich beim Lipödem um eine genetische Erkrankung und sie ist im Grunde genommen auch stoffwechsel- und hormonabhängig. Das ist der Grund, warum es nur bei Frauen auftritt.

2. Was kann man gegen ein Lipödem tun? Gibt es überhaupt Heilungschancen?
Wir sind mittlerweile im Jahr 2024 in der Lage, eine wirksame Therapie anbieten zu können. Dafür ist einerseits die exakte Diagnose, aber vor allem die individuelle Symptomatik der Beschwerden der Patientin notwendig.
Die Stadieneinteilung Lipödem Stadium 1 bis 3 wurde jetzt in der aktuellen neuen Leitlinie nicht mehr abhängig gemacht von den Beschwerden. Denn auch Patientinnen, die ein „leichtes“ Lipödem zeigen, können durchaus mehr Beschwerden haben als Patientinnen im Stadium 2 oder 3 es ist immer ganz individuell. Führende Symptome sind der Schmerz, die Druckempfindlichkeit, das Schweregefühl, die Veränderung der Unterhautfettgewebszellen an den Beinen und/oder Armen. Das ist das, was es im Alltag ausmacht.
Und man muss sich darüber im Klaren sein, dass es sich beim Lipödem um eine genetische Veränderung handelt, für die die Betroffenen nichts können. Es ist nicht hundertprozentig heilbar, aber soweit zu behandeln, dass die Patientinnen beschwerdefrei sein können und auch werden. Dazu ist sicherlich einerseits die Operation, das heißt die operative Entfernung des Unterhautfettgewebes an betroffenen Stellen per Liposuktion, also Fettabsaugung, plastisch-chirurgisch machbar und auch sehr effektiv. Dazu kommt aber noch ein weiterer Teil, nämlich die so genannte konservative Therapie, also Kompressionsbestrumpfung und manuelle Lymphdrainage. Auch das kann eine Verbesserung der Beschwerden bringen. Die Kenntnislage über den Stoffwechsel und die Hormonsituation ist in der von mir entwickelten interdisziplinären Therapie zudem sehr wichtig, um Veränderungen herbeiführen zu können, die letztendlich zur Gewichtsreduktion, zur Beschwerdefreiheit und zur Schmerzlinderung führen.
Das Lipödem hat eine entzündliche Komponente und wir wissen mittlerweile, dass das Fettgewebe reagiert - wohl auch auf immunmodulatorischer Ebene, dem körpereigenen Immunsystem. Es geht insbesondere einher mit einer Veränderung des Stoffwechsels, vor allem auch durch die Wirkung des Hormons Insulin. Viele Lipödem-Patientinnen haben eine Störung im Insulinstoffwechsel unabhängig von der Zuckererkrankung Diabetes. Diese so genannte Insulinresistenz bleibt erstmal unentdeckt, weil sie sich auch gar nicht in Beschwerden äußert, sie verschlechtert aber das Lipödem. Dann kommt die Komponente Stress dazu und so weiter…
Also es sind sehr viele multifaktorielle Ansätze und Geschehen bei einem Lipödem-Syndrom, die es zu beachten gilt. Deswegen sollte man, so wie wir das hier im St.-Clemens-Hospital in Geldern machen, interdisziplinär agieren. Dann, wenn alles gut klappt und man die volle Befundlage hat, kann man sehr erfolgreich behandeln, ja, das kann ich heute sagen.

3. Wann raten Sie zu einer Operation? Wann sollte ein Lipödem operiert werden?
Eine Operation ist immer dann sinnvoll, vor allem auch empfehlenswert, wenn die Patientin Beschwerden erleidet, eine Verschlechterung bemerkt und unzählige Abnehmversuche, Diäten oder auch konservative Therapien durchgeführt hat ohne Erfolg. Das muss aber nicht automatisch der Fall sein. Patientinnen werden ausführlich beraten und über die Vorgehensweise einer operativen Therapie aufgeklärt Macht eine Operation Sinn und an welchen Stellen? Aus meiner Sicht sollte bedarfsgerecht operiert werden. Wir Plastische Chirurgen haben gelernt, rekonstruktiv und ästhetisch zu operieren das bedeutet, eine Operation verbessert Form, Aussehen und Funktion. Patientinnen sind im allerbesten Fall dann schmerzfrei, können Beine und Arme schmerzfrei bewegen, haben eine deutliche Umfangsreduktion; die reduzierte Unterhautfettgewebsschicht erzielt auch eine verbesserte ästhetische Form und somit erhöht sich die Lebensqualität insgesamt.

4. Wie ist der Ablauf, wenn ich mich für eine Operation interessiere?
Zunächst sollte die exakte Diagnose stehen und im besten Fall auch eine konservative Therapie (Kompression, manuelle Lymphdrainage etc.), vielleicht eine verbessernde Ernährungsmodifikation im Alltag stattgefunden haben, um dann zu schauen, wie sich das Beschwerdebild überhaupt verändert. Dann kann man gemeinsam mit der Patientin überlegen, welche Körperregionen besonders betroffen sind, somit auch die Indikation, also den Grund und die Entscheidung zu einer operativen Behandlung treffen. Vorbereiten muss man im Grunde genommen als Patientin nur das, was von uns in der Klinik empfohlen wird. Vor einer Operation machen wir eine Untersuchung der Blutwerte und eine ausführliche OP-Aufklärung, es gibt ein Narkosegespräch usw. Alles kann in Ruhe vorbereitet und geplant werden. Es bedarf einer gründlichen Aufklärung und die Patientinnen müssen jederzeit über alles genau Bescheid wissen darauf lege ich großen Wert und dadurch kann man gut Ängste nehmen. Eine Liposuktion ist heute sehr gut durchführbar. Vor 40 Jahren war das noch nicht so, da hatte man über das Krankheitsbild noch nicht viel Kenntnis. Mittlerweile ist das deutlich besser und mittels wirklich schonender Techniken, wie zum Beispiel der Wasserstrahl-assistierten Liposuktion, feinen Absaugkanülen, die ich sehr häufig durchführe und mit der ich seit vielen Jahren vertraut bin, lässt sich die Liposuktion sehr schonend und effektiv durchführen. Somit braucht man als Patientin vor einer Lipödem-Liposuktion, die von erfahrenen Fachleuten durchgeführt wird, keine große Angst zu haben.

5. Gibt es nur eine oder mehrere Operationen?
In vielen Fällen ist eine Operation an einer erkrankten Körperregion schon sehr effektiv, der typische Schmerz wird dadurch beseitigt. Manchmal sind aber auch mehrere Eingriffe notwendig, je nachdem wie intensiv einzelne Körperregionen betroffen sind. Nach der Operation ist es sehr sinnvoll, manuelle Lymphdrainage durchführen zu lassen, Kompression zu tragen, sich zu bewegen, sich gut zu ernähren und dann kommt es in den allermeisten Fällen zu einer erheblichen Verbesserung.

6. Was passiert nach dem Eingriff?
Die Nachbehandlung ist ein sehr wichtiger Punkt! Wenn eine Operation durchgeführt wurde, kommt es immer zu einer Veränderung. Die Patientin hat zunächst etwas Wundschmerz, sie trägt ein Kompressionsmieder, sie geht zur Lymphdrainage aber sie fragt sich vor allem: Wie soll ich mich jetzt verhalten? Ich erkläre es Schritt für Schritt und sehe die Patientin nach den Operationen regelmäßig hier in der Sprechstunde. Dabei schaue ich mir an, wie es der Patientin insgesamt geht, begleite den Heilungsverlauf, Phasen der Abschwellungen und vieles mehr. Es kommt zu einer Veränderung, aber es ist ein Prozess, der ein wenig Geduld benötigt. Es sind viele Themen: Psyche, Wohlbefinden, Beruf, Freizeit, Sport und all das erkläre ich immer in den Nachbehandlungen. Manchmal besteht viel Gesprächsbedarf, das ist aber auch ganz normal.

7. Was ist Ihre persönliche Motivation als Facharzt für Liposuktionen beim Lipödem?
Ich bin der Meinung, dass aus plastisch-chirurgischer Sicht die Liposuktion beim Lipödem ein rekonstruktiver Eingriff ist - wir verbessern Form und Funktion und, was ich in den vielen Jahren, nach vielen hundert Operationen und bei vielen Lipödem-Patientinnen gesehen habe, ist eine deutliche Verbesserung, eine Beschwerdefreiheit. Die Patientinnen machen eine Verwandlung mit, die wirklich beachtenswert ist! Sie sind schmerzfrei, sie werden aktiver, sie bewegen sich mehr, sie bekommen mehr Selbstbewusstsein. Es ist als Behandler also wirklich äußerst erfreulich und ich bin immer wieder überrascht, wenn ich Patientinnen nach einem Jahr zur Verlaufskontrolle sehe und die Veränderung und Verbesserungen feststelle. Wenn zusätzlich eine Adipositas diagnostiziert ist, können wir eine sinnvolle Therapie zusammen mit dem Adipositas-Zentrum anbieten. Diese Gesamtheit der interdisziplinären Therapie sorgt dafür, dass wir bedarfsgerecht und wirklich individuell die Patientinnen, die an einem Lipödem leiden, gemeinsam erfolgreich behandeln können.

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